Digitale Nachhaltigkeit: Warum CIOs und CFOs am selben Strang ziehen müssen
STUART ANDREWS
5M LESEZEIT
Angesichts der globalen Energiekrise und des wachsenden Drucks in Sachen Nachhaltigkeit sind die Unternehmen darauf angewiesen, dass ihre CIOs und IT-Führungskräfte einen Weg finden, der ihren ökologischen Fußabdruck reduziert, ohne ihre Wachstumsmöglichkeiten einzuschränken. Wir haben mit Steen Dalgas, dem leitenden Cloud-Ökonomen von Nutanix, und Jennifer Huffstetler, der Leiterin des Bereichs Produktnachhaltigkeit bei Intel, über diese Herausforderungen gesprochen und welche ersten Schritte CIOs unternehmen können.
Die Unternehmen machen sich zunehmend Gedanken über ihre CO2-Bilanz. Aber welche Rolle spielen das Rechenzentrum und die digitale Infrastruktur eines Unternehmens für die Umweltbelastung? Verschlechtert sie sich mit jeder neuen IT-Investition?
Steen: Wir haben vor Kurzem zusammen mit Atlantic Ventures ein White-Paper verfasst, in dem wir zu der Einschätzung kommen, dass der CO2-Fußabdruck der Rechenzentren in etwa dem des Flugzeugverkehrs entspricht – also so ungefähr in dieser Größenordnung. Etwa zwei Prozent der weltweiten Emissionen werden von Rechenzentren verursacht. Jeder weiß, dass der Luftverkehr wesentlich zum CO2-Ausstoß beiträgt, doch die Emissionen der Rechenzentren sind ebenso hoch.
Dessen sind sich die CIOs oft nicht bewusst. Sie konzentrieren sich auf ihre digitalen Vorgaben und haben bisher nicht wirklich viel an den CO2-Ausstoß gedacht.
Befinden wir uns also in einer Situation, die außer Kontrolle geraten ist, sodass wir jetzt die Kontrolle übernehmen müssen?
Steen: Absolut. Darüber hinaus kommen jetzt Compliance- und regulatorische Fragen mit ins Spiel. Wir müssen die treibenden Kräfte hinter ESG [Environmental, Social und Governance] verstehen. Fondsmanager haben erkannt, dass Unternehmen, die ESG ernst nehmen, besser abschneiden als der Marktdurchschnitt. Statt sich nur auf die Finanzergebnisse zu konzentrieren, haben wir eine ganz neue Reihe von Kennzahlen eingeführt. Die Investoren brauchen diese Kennzahlen, um zu entscheiden, ob sie in ein Unternehmen investieren wollen oder nicht. Dadurch entsteht Druck auf die Regierungen, Gesetze zu erlassen, die standardisierte, einheitliche Prüfungen der ESG-Kennzahlen ermöglichen. Daher wird gerade eine Fülle neuer Vorschriften erlassen, die alles verändern werden.
Wir müssen ESG jetzt ernst nehmen, und wir sehen, wie sich das im Rahmen der aktuellen Energiekrise herauskristallisiert. Wo die Energie früher zehn Prozent der Gesamtbetriebskosten (TCO) eines Rechenzentrums ausmachte, sind das jetzt etwa 40 Prozent, und viele Unternehmen, die darauf nicht geachtet haben, kommen ins Schleudern. Viele denken, das sei ein kurzfristiges Problem, aber das stimmt nicht. Grundsätzlich müssen wir unser gesamtes Energiemodell auf globaler Basis umstrukturieren. Die Unternehmen müssen sich jetzt darauf konzentrieren, weniger Energie zu verbrauchen. Das ist zu einem geschäftlichen Muss geworden.
Der andere Aspekt der Krise betrifft die Beschaffung. Es gibt einfach nicht genug Energie, und wenn es zu einer längeren Kälteperiode kommen sollte, werden die Regierungen sich entscheiden müssen, ob das Gas für Strom oder zum Heizen verwendet werden soll, und sie werden dem Heizen den Vorrang geben. Das bringt Probleme für die IT-Ausfallsicherheit mit sich, und viele Unternehmen verfügen nicht über einen angemessenen Notfallwiederherstellungsplan.
Sind sich die CFOs dessen stärker bewusst als die CIOs, weil sie direkter mit den Betriebskosten und den Investitionen zu tun haben?
Steen: Ja. Als das Institute of Chartered Accountants in England und Wales seine Prioritäten für 2022 veröffentlichte, standen dabei Nachhaltigkeit und ESG an oberster Stelle. Als ich mir jedoch die CIO-Listen ansah, war davon nirgends etwas zu finden.
Das hat mit der Berichterstattung zu tun. Bei ESG ging es anfangs nur um die Berichterstattung von Zahlen, die zuerst an die CFOs weitergegeben wurden. Dem CFO geht es um die Senkung der Energiekosten und CO2-Emissionen, aber die IT-Abteilung hat die Aufgabe, das Unternehmen zu digitalisieren und weiterzuentwickeln. Das sind zwei entgegengesetzte Bestrebungen.
Können Unternehmen diese gegensätzlichen Ziele unter einen Hut bringen?
Steen: Um diese schwierige Situation in den Griff zu bekommen, brauchen wir einen Überblick über unseren Energieverbrauch und darüber, welche Bereiche des Unternehmens wo Energie verbrauchen. Um Ihnen eine Vorstellung von diesem Problem zu geben: Nutanix arbeitet eng mit Flexera zusammen. Sie bieten eine Software an, mit der sie einen Spiegel der IT-Landschaft eines Kunden erstellen können. Ihr Feedback an mich ist, dass sie in der Regel 30 Prozent mehr IT-Assets finden, als die Kunden zu haben glauben, nämlich Schatten-IT und Infrastruktur, die sie nicht direkt selbst verwalten. Aber es ist schwer, etwas zu verbessern, das man nicht messen kann.
Ist das grundsätzlich problematisch?
Steen: Es ist nicht einfach, eindeutige Daten über den Energieverbrauch eines bestimmten Racks zu ermitteln. Ein weiteres Problem ist, beim Kauf neuer IT-Produkte genaue Informationen über deren Energieverbrauch zu erhalten, da die Hersteller Standardwerte angeben, die nicht unbedingt der Realität entsprechen. Eine Menge Faktoren haben Auswirkungen auf die Effizienz, und das betrifft nicht nur die Energie.
Der Wasserverbrauch vieler moderner Rechenzentren ist fast so schlimm wie ihr Energieproblem, und selbst einige Unternehmen, die sich als führend in Sachen Nachhaltigkeit postulieren, haben Probleme, Zahlen zu liefern, die ihre Behauptungen belegen.
CEOs und CFOs sind sich dieser Probleme bewusst, aber investieren sie auch in deren Lösung? Sind die CIOs ausreichend in die Diskussion darüber eingebunden?
Steen: Hier ein paar Gedanken zu diesen Problemen. Im öffentlichen Bereich ist es üblich, dass die Energie im Budget für die Einrichtungen enthalten ist. Die IT-Abteilung trägt ihre Energiekosten nicht selbst, die Rechnung geht an eine andere Abteilung. Wir haben da also jemanden, der einen großen Teil der Energienutzung beeinflusst, aber nicht an die Kosten denken muss. Ich frage mich, wie viel Energie in Großbritannien und in ganz Europa aufgrund dieser Diskrepanz verschwendet wird.
Die CIOs konzentrieren sich außerdem – zu Recht – auf die Kennzahlen, an denen sie gemessen werden, und die Energie spielt bei diesen Berechnungen keine Rolle. Die CIOs achten auf ihre Kosten und die Ausfallsicherheit, und sie meiden Risiken. Die Einführung innovativer Technologien, die den Energie- oder Wasserverbrauch senken könnten, bringt jedoch Risiken mit sich. Hyperkonvergente Infrastrukturen könnten den Energieverbrauch erheblich senken, aber dafür allein werden CIOs nicht in diese Systeme investieren. Mit den neuen ESG-Kennzahlen jedoch könnte sich dieses Verhalten in eine positivere Richtung entwickeln.
Und was ist mit KI und Automation? Können die helfen?
Steen: Ziemlich sicher, ja. Für den Energieverbrauch eines Rechenzentrums sind die Energie im Rack und die Kühlung die beiden wichtigsten Faktoren. Wie können wir diese senken? HCI [ein hochautomatisierter, softwaredefinierter Ansatz für den Betrieb von Rechenzentren] arbeitet in der Regel in einem viel kleineren Formfaktor – Atlantic Ventures hat das gemessen und kam zu dem Ergebnis, dass eine HCI 27 % weniger Energie verbraucht als eine herkömmliche dreistufige Infrastruktur. Das hängt zwar vom jeweiligen Anwendungsfall ab, aber es gibt viele Hinweise darauf, dass HCI einen geringeren Energieverbrauch und weniger Geräte bedeutet.
Aber es ist auch die Art des HCI-Managements im Vergleich zur Verwaltung der alten Infrastruktur, die einen Unterschied macht. Es ist sehr einfach, neue Kapazitäten hinzuzufügen – Sie können genau das kaufen, was Sie heute brauchen, anstatt überschüssige Kapazität zu erwerben, die in Zukunft vielleicht einmal nötig werden könnte. Weil Sie weniger Überversorgung haben, erzielen Sie geringere Energiekosten und weniger Emissionen. Außerdem verlieren die Systeme in herkömmlichen Infrastrukturen mit der Zeit an Effizienz. Das bedeutet, dass Ihnen die Kapazität früher ausgeht und Sie mehr Hardware kaufen müssen. Mit KI-gestützter Software-Automatisierung können Sie jedoch sicherstellen, dass Ressourcen effizient genutzt werden und Ihre Kapazitäten optimal planen.
Im Wesentlichen ermöglicht ein softwaredefinierter Ansatz für den Betrieb eines Rechenzentrums mit HCI und einem hohen Maß an Automatisierung und KI einen optimalen Betrieb, und er maximiert genauso den Wert der materiellen Anlagen, wie er den Energieverbrauch senkt.
Jennifer: Wir glauben, dass KI einen erheblichen Einfluss auf den Stromverbrauch haben kann. Durch den Einsatz von KI zur Analyse des Stromverbrauchs anhand der durch Xeon-Prozessoren erzeugten Telemetriedaten kann der Stromverbrauch intelligent gesteuert werden. Wir bieten eine zuverlässige Reihe an Telemetrie-Elementen in den Xeon-Prozessoren, mit denen Orchestrierungssoftware auf höherer Ebene – wie die von Fortanix entwickelte – diese Daten nutzen und intelligente Entscheidungen darüber treffen kann, wann die Systemleistung der Server reduziert werden soll.
Verlängert das den Lebenszyklus der Hardware?
Steen: Ja. Noch hilfreicher ist sogar die Tatsache, dass bei einer HCI durch die Software Innovationen und neue Funktionen hinzukommen. Sie müssen Ihre Server und Prozessoren nicht alle drei bis vier Jahre austauschen. Neue Softwareversionen bringen Verbesserungen der Leistung und neue Funktionen. Das bedeutet, dass Sie die Hardware seltener erneuern müssen, vielleicht nur noch alle fünf, sechs oder sieben Jahre. Da die Emissionen aus der Produktion in manchen Fällen bis zu 50 % ausmachen können, ist dies ein effektiver Weg, um Ihren Anteil zu reduzieren.
Jennifer: Ein weiterer Aspekt des Hardware-Lebenszyklus ist die Entwicklung modularer Serverdesigns. So können Serverkomponenten (CPU, Arbeitsspeicher, Speicher), die ersetzt oder aufgerüstet werden müssen, einfach ausgetauscht werden, ohne dass das gesamte System entsorgt werden muss, was den Abfall reduziert und dem Klima durch weniger Emissionen zugute kommt. Wir treiben dies in großem Umfang durch Organisationen wie das Open Compute Project (OCP) voran, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen weltweite Verbreitung finden und von den Rechenzentrumsbetreibern angenommen werden.
Sind da noch andere Technologien in Sicht, die helfen könnten?
Steen: Die Kühlung mit Flüssigkeit. Die Kühlung erfolgt traditionell durch Luft, aber Luft ist kein wirklich guter Wärmeleiter. Wasser wirkt da viel besser. Flüssigkeitskühlung gibt es schon seit langem, aber sie wurde bisher nur im Hochleistungs-Computing eingesetzt. Zurzeit drängen neue Start-ups mit Flüssigkeitskühlung für Rechenzentren auf den Markt, die behaupten, die Kühlkosten um bis zu 90 % senken zu können. Darüber hinaus kann die abgeführte Wärme zum Heizen von Gebäuden oder Wasser verwendet werden, sodass die Kühlung zudem zu einer Energiequelle wird. Das ist eine unglaubliche Innovation und passt hervorragend zu einer HCI. Sie passt besser zu unserem Formfaktor und birgt das Potenzial für erhebliche Vorteile. Bisher untersuchen wir dieses Konzept erst, aber Sie sollten die Entwicklung im Auge behalten.
Wenn wir uns an den Beginn unseres Gesprächs erinnern, gibt es vieles, worüber wir uns Sorgen machen müssen, aber die Unternehmen müssen bereit sein, sich auf Innovationen einzulassen, sich auf ihre Kennzahlen zu konzentrieren, eine Grundlage zu schaffen und der Rest ergibt sich dann. Stellen Sie fest, wie Ihr Energie- und Wasserverbrauch aussieht, und nutzen Sie diese Kennzahlen, um Ihren Erfolg zu messen. Das ist der Anfang.
Jennifer: Auf unserer jüngsten Intel ON-Veranstaltung haben wir eine Reihe von Flüssigkühlungslösungen von Kunden vorgestellt und unsere Absicht erläutert, die Flüssigkühlung in der gesamten Computerbranche zu verbreiten. Bei einem Großteil der Bemühungen geht es um die Standardisierung der Flüssigkeiten, um das Volumen zu erhöhen und die Kosten zu senken. Das Andere ist die Qualifizierung von Hardware-Komponenten für den zuverlässigen Einsatz unter Wasser. Wir glauben, dass diese beiden Faktoren die Verbreitung in der gesamten Branche vorantreiben werden.
Mehr über nachhaltige Rechenzentren erfahren Sie in diesem Bericht.